Montag, 18. Juni 2012

Superkind

In letzter Zeit habe ich viele Dinge gehört, die mir wirklich nicht gefallen haben. Und das ist noch sehr untertrieben formuliert. All die Kinder über die ich hier schreibe sind noch unter 2 Jahre alt.

Da schlagen Väter ihre Kinder ins Gesicht, weil sie nicht in den Kindersitz wollen und man sich ja nur so Respekt verschaffen könne. Ich bin sprachlos und hoffe, der entsetzten Mutter dieses Kindes gelingt es, einen Weg zu finden, dass sie ihr Kind nicht mehr diesem Mann mitgeben muss.
Denn Einsichtig ist dieser Vater absolut nicht, im Gegenteil- er findet ein solches Verhalten ganz normal. Ihm habe das als Kind ja auch nicht geschadet. Die Eltern des Kindes sind kein Paar mehr.

Dann höre ich von Eltern, die sich ständig vor ihrem Kind zoffen, dass die Wände wackeln und sich mehr für Handys und soziale Netzwerke interessieren, anstatt sich um ihr schreiend auf dem Boden liegendes Kind zu kümmern. Das Kind hat auch nie Kontakt zu Gleichaltrigen.

Eltern, die mit ihrem Kind beinahe ausschließlich in der sog. Babysprache sprechen und sogar den Namen des Kindes nicht richtig aussprechen.

Eltern, die ihrem Kind keinerlei Grenzen setzen und deren Kommentar stets lautet: Tja, Kinder sind halt so. Die räumen halt Schubladen aus und da muss man halt alles in Sicherheit bringen.

Das ist alles so schrecklich falsch, es macht mich ganz krank. Weil ich weiß, dass es ganz anders sein kann!

Wo wir gehen und stehen, stets bewundert man, wie ausgeglichen, ruhig und freundlich die kleine Fee ist. Sie meckert und zickt nicht, befolgt die allermeisten Anweisungen und ist einfach nur zauberhaft.

Sicher, sie kann auch anders- sie ist ja ein ganz normales Kleinkind, dass seinen eigenen Willen entdeckt und auch austestet, wie weit es gehen kann. Aber wenn etwas nicht okay ist, dann sagen wir ihr das ruhig und bestimmt und bewegen auch mal unseren Hintern, anstatt einfach nur zigmal hintereinander "Nein" zu sagen, ohne das etwas passiert. Ja, das kann anstrengend sein und ja, das bringt einen manchmal zur Weißglut. Trotzdem, das muss man als Erwachsener aushalten. Genau das ist nämlich der Punkt: Wir sind die Erwachsenen. Also sollten wir uns auch so verhalten.

Mal ehrlich, wenn ich grade irgendwo auf Erkundungstour bin und die spannendsten Dinge entdecke, dann will ich nicht, dass jemand kommt der größer und stärker ist als ich und mich zwingt im Buggy zu sitzen oder ins Auto einzusteigen. Ich würde dann auch ausflippen, besonders wenn ich den Grund nicht verstehe, was bei kleinen Kindern sicher sehr oft der Fall ist. Kein Kind in dem Alter macht Dinge um uns zu ärgern. Das sollte man immer im Hinterkopf halten. Kinder verdienen Respekt und ein gutes Miteinander. Wie kann ich denn meinem Kind verbieten, andere Kinder zu schlagen wenn mir selbst die Hand ausrutscht und ich das auch noch richtig finde?

Zugegeben, ich kann nicht den ersten Stein werfen, denn auch ich habe meinem Kind schon mal ein paar auf die Finger gegeben. In der Sekunde in der es passierte wusste ich, es ist falsch und es tat mir leid. Ich nahm die kleine Fee in den Arm und entschuldigte mich. Das ist keine Rechtfertigung, denn die gibt es nicht. In dem Moment war ich offensichtlich nicht Herr der Lage und wusste mir nicht anders zu helfen- wichtig ist aber, dass man es einsieht und es nicht nochmal macht. Es gibt genügend andere Möglichkeiten.

Ich weiß nicht, ob ich den Menschen recht geben soll, die sagen, dass die kleine Fee aufgrund unserer Erziehung so ist, wie sie eben ist.
Gestern sagte man mir: "Ausgeglichene Mama, ausgeglichenes Kind". Das stimmt sicher auch zu einem gewissen Teil, dennoch denke ich: Wir haben Glück mit der kleinen Fee.

Wenn die kleine Fee mal ausflippt halte ich mir stets vor Augen, dass sie in diesem Moment einfach keine andere Möglichkeit hat, sich zu artikulieren und das es irgendwann auch wieder vorbei sein wird. (Das hat mich auch vor dem Wahnsinn bewahrt, wenn die kleine Fee zahnte und gefühlte Ewigkeiten lang brüllte. Ich wusste es wird irgendwann wieder aufhören, so lange muss ich durchhalten, für sie da sein und ruhig bleiben.) Muss ich mit ihr schimpfen, nehme ich sie kurz darauf in den Arm, denn ich weiß, dass sie sich sicher sein muss, dass ich sie trotzdem liebe. Ich bin nicht böse auf sie, sondern zeige ihr nur, dass das was sie getan hat nicht okay war. Ich bin authentisch meinem Kind gegenüber und verstelle mich nicht. Es gibt nichts Schlimmeres, wenn ein Kind ein und die selbe Sache mal darf und mal nicht. Entweder toleriere ich etwas, oder nicht. Das sollte ich mir also vorher gut überlegen, ob ich etwas verbiete oder nicht. Und ob mir das Verbot im Zweifelsfall eine ellenlange Diskussion oder ein schreiendes Kind wert ist.

Ich bin so unendlich dankbar für meine kleine Zauberfee, mein Superkind und mir tun die Kinder, von denen ich eingangs schrieb so sehr leid. Sie sind mir alle persönlich bekannt und ich kann trotzdem nichts tun. Ich kann nur weiterhin versuchen, es bei meinem eigenen Kind anders zu machen. Ihm Wurzeln und Flügel zu geben, es zu respektieren und da zu sein, wenn ich gebraucht werde. Und vor allem: Es auszuhalten, wenn ich nicht gebraucht werde.