Sonntag, 21. Oktober 2012

Wo waren sie?

Gestern in den Nachrichten und heute im Internet bin ich über die traurige Geschichte von Amanda Todd gestolpert- hier ist auch das Video, um das es geht:





Wer keine Zeit oder keine Lust hat, sich etwas mehr als acht Minuten Video anzuschauen, ich fasse es zusammen:
Amanda fing in der 7. Klasse an, mit ihren Freunden im Internet zu Video-Chatten. Sie bekam viele Komplimente, bis jemand wollte, dass sie "mehr" von sich zeigte. Irgendwann tat sie das und jemand verwendete dies gegen sie, indem er ihr Drohbriefe schickte und das Bild ihrer nackten Brust im Internet verbreitete. Amanda bekam schwere Depressionen und Angstzustände, wechselte die Schule, fand neuen Anschluss. Der Typ fand sie erneut und gründete auf F.acebook eine Mobbinggruppe, ihre Brust als Profilbild. In der Schule war Amanda von nun an immer alleine, verlor all ihre Freunde und den letzten Rest Respekt, den man ihr noch entgegenbrachte. Erneut wechselte sie die Schule, lernte jemanden kennen, er hatte eine Freundin.
Leider wurde sie auch hier nur ausgenutzt, sie glaubte, sie würde ihm etwas bedeuten und ließ sich mit ihm ein. Bald darauf standen er, seine Freundin und einige mehr vor ihrer neuen Schule, verprügelten sie. Sie versuchte darauf hin sich mit Bleichmittel das Leben zu nehmen, was ihr misslang. Die FB- Gruppe bedauerte, dass sie es nicht geschafft hatte und riet ihr, nächstes Mal stärkere Bleichmittel zu nehmen. Amanda ritzte sich immer häufiger, nahm Anti- Depressiva. War allein. Jetzt ist sie tot.

Vor ihrem Selbstmord erstellte sie dieses Video, in meinen Augen ein Schrei nach Hilfe.

Mir geht dieses Mädchen heute morgen nicht aus dem Kopf. Ich frage mich, wo waren ihre Eltern? Warum hat niemand etwas getan? Und was sind das für Leute, die einen Menschen so fertig machen, ohne ersichtlichen Grund?

Und: Was würde ich tun, wenn es meine Tochter wäre? Würde sie sich an mich, an uns wenden, damit wir ihr helfen können? Würde sie überhaupt auf eine Aufforderung "mehr" von sich zu zeigen reagieren? (Mal ganz davon abgesehen, dass ich sie in der 7. Klasse kaum unbeaufsichtigt ins Internet lassen würde, geschweige denn ein Video-Chat in Frage käme...)
Noch ist sie mein kleines Feenkind, aber nicht allzu lange und sie wird eben nicht mehr mein kleines Mädchen sein. Auf welche Menschen wird sie treffen und werden wir ihr beibringen können, selbstbewusst solche Attacken abzuwehren, sollte sie ihnen jemals ausgesetzt sein? Werden wir ihr genug Menschenkenntnis vermitteln können, sich gar nicht erst mit so jemandem einzulassen?

Ich weiß, darüber sollte ich mir Gedanken machen, wenn es dazu kommt, was ich wirklich nicht hoffe. Aber dennoch kreise ich heute um all das und es macht mich sehr, sehr traurig.
Keine Mutter und kein Vater kann das eigene Kind vor allem beschützen, aber wir können versuchen, unsere Kinder zu selbstbewussten und starken Menschen zu erziehen, ihnen richtig und falsch nahe bringen.  Sollte ich z.B. umgekehrt mitbekommen, dass mein Kind an einer solchen Aktion beteiligt wäre, dann würde ich mich umgehend darum kümmern und nicht die Augen schließen und mich wegdrehen.

Diejenigen, die sich an der Hetzkampagne gegen Amanda Todd beteiligt haben, werden hoffentlich auf die eine oder andere Art ihre Strafe erhalten. Leider ist es ja in den Weiten des Internets sehr einfach, anonym alles mögliche zu verbreiten, zu kommentieren oder eben auch zu mobben, was für solche Menschen enorm hilfreich ist, da sie kaum Angst vor Strafe haben müssen. Die Frage ist nur, in wie weit man solche Menschen an sich heran lässt und ihnen die Möglichkeit gibt, das zu tun, was sie eben tun.